Viele Privatanleger setzen große Hoffnungen in sogenannte Emerging Markets – also Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien. Diese Länder wachsen stark, sind jung, dynamisch, hungrig auf Fortschritt. Klingt nach einem perfekten Investment?
Ganz so einfach ist es leider nicht.
In diesem Artikel zeige ich dir, welche Risiken und Chancen Emerging Markets wirklich mitbringen. Ich erkläre, warum starkes Wirtschaftswachstum oft nicht zu besseren Aktienrenditen führt, wie du steuerliche Fallstricke vermeidest – und ob Schwellenländer überhaupt in ein langfristiges ETF-Portfolio gehören.

Was sind Emerging Markets überhaupt?
Emerging Markets sind Volkswirtschaften, die irgendwo zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten liegen. Sie wachsen schnell, sind aber politisch oft instabiler, weniger transparent und haben schwächere Institutionen.
Bekannte Beispiele:
- China
- Indien
- Brasilien
- Südafrika
- Mexiko
Diese Länder machen etwa 10–12 % der weltweiten Börsenkapitalisierung aus – also aller frei handelbaren Aktien weltweit.
Der Mythos: Mehr Wachstum = mehr Rendite?
Viele glauben: Wenn ein Land wirtschaftlich stark wächst, steigen automatisch auch die Aktienkurse. Klingt logisch – stimmt aber nicht.
Zahlreiche Studien zeigen sogar das Gegenteil: Länder mit dem höchsten Wirtschaftswachstum hatten oft die schlechtesten Börsenrenditen.
Warum ist das so?
- Die Erwartungen sind schon im Kurs enthalten
Wenn alle mit starkem Wachstum rechnen, ist das bereits im Aktienpreis „eingepreist“. - Zu viele neue Unternehmen
In boomenden Ländern entstehen ständig neue Firmen. Dadurch verteilt sich der Gewinn auf mehr Aktien – was die Rendite pro Aktie senkt.
Ein Beispiel:
Trotz Chinas enormem Wachstum in den letzten Jahrzehnten haben chinesische Aktien weniger Rendite gebracht als viele Industriestaaten.
Emerging Markets Risiken und Chancen verstehen
Warum sie in keinem Portfolio fehlen sollten – aber auch keine Wunder bewirken
Viele Anleger wollen Schwellenländer bewusst übergewichten, also mehr investieren als ihr Anteil am Weltmarkt beträgt. Doch dafür braucht es gute Gründe – und ein klares Verständnis der Risiken und Chancen von Emerging Markets.
4. Die Risiken im Überblick
a) Höhere Schwankungen
Emerging Markets sind volatiler – das heißt, ihre Aktienkurse schwanken stärker. Das ist nichts für schwache Nerven. In schwierigen Phasen können die Verluste überdurchschnittlich hoch sein.
b) Politisches Risiko
In vielen Schwellenländern gibt es politische Unsicherheiten, Korruption oder plötzliche Eingriffe des Staates. Das kann Unternehmen belasten oder Börsen ganz lahmlegen – wie zuletzt in Russland.
c) Steuerliche Nachteile
Viele Länder behalten Quellensteuern auf Dividenden ein, die du als ausländischer Anleger nicht immer zurückholen kannst.
Das bedeutet: Ein Teil deiner Rendite geht an den ausländischen Fiskus – besonders problematisch in steuerfreien Konten wie Säule 3a oder Freizügigkeitskonten.
Und die Chancen?
Diversifikation
Da sich Schwellenländer oft anders entwickeln als Industriestaaten, können sie helfen, dein Portfolio breiter aufzustellen. Wenn z. B. die USA schwächeln, performt vielleicht Indien gut.
Höhere Renditechancen
Einige Studien zeigen, dass Schwellenländer langfristig etwas höhere erwartete Renditen bieten – als Ausgleich für das höhere Risiko. Aber: Diese Mehrrenditen sind nicht garantiert.
Faktor-Investing funktioniert gut
Konzepte wie Value Investing (also Aktien kaufen, die im Verhältnis zum Unternehmenswert günstig sind) haben in Emerging Markets besser funktioniert als in den USA. Auch kleinere Unternehmen („Small Caps“) haben überdurchschnittlich performt.
ETFs: Was Anleger beachten sollten
Viele ETFs auf Emerging Markets sind nicht optimal aufgebaut.
Beispiel:
Wenn ein Schweizer Anleger einen kanadischen ETF kauft, der wiederum einen US-ETF hält, der in chinesische Aktien investiert – dann wird dreifach Quellensteuer abgezogen. Ein erheblicher Renditeverlust.
Tipp:
Achte auf ETFs, die Aktien direkt halten und aus Ländern stammen, mit denen die Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen hat.
Unterschiedliche Definitionen
Nicht jeder ETF-Anbieter zählt die gleichen Länder zu den Emerging Markets.
Beispiel:
- Südkorea:
Laut MSCI ein Schwellenland
Laut FTSE ein Industrieland
Wenn du also verschiedene ETFs kombinierst (z. B. MSCI Developed + FTSE Emerging), kann es passieren, dass du ein wichtiges Land wie Südkorea komplett verpasst.
Mein Fazit: Emerging Markets ja – aber mit Augenmaß
Als langjähriger Anleger weiß ich: Schwellenländer sind kein Geheimtipp, aber auch keine Katastrophe. Sie haben einen Platz im Portfolio verdient – aber nur im richtigen Verhältnis.
In meinem persönlichen ETF-Portfolio mache ich das so:
- 15 % Emerging Markets
- Möglichst breit gestreut (auch kleine Unternehmen)
- Fokus auf ETFs mit direktem Aktienbesitz
Wenn du gerade erst beginnst zu investieren, ist ein einfacher All-World-ETF mit integriertem EM-Anteil ein guter Start. Für Fortgeschrittene kann eine leichte Übergewichtung sinnvoll sein – aber nur, wenn du die Risiken verstehst und verkraften kannst.
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Quellen:
- Dimson, Marsh & Staunton (Credit Suisse Yearbook 2014)
- Jay Ritter: Is Economic Growth Good for Investors? (2012)
- Rational Reminder Podcast #191 mit Ben Felix
- Eigene Analysen & Erfahrungen
- Establishing ‘Emerging Markets’: https://www.ifc.org/en/home
- Foreign Speculators and Emerging Equity Markets: chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://people.duke.edu/~charvey/Research/Published_Papers/P64_Foreign_speculators_and.pdf
- What Segments Equity Markets?: https://business.columbia.edu/
- Drivers of Expected Returns in International Markets: chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://people.duke.edu/~charvey/Research/Published_Papers/P69_The_drivers_of.pdf
- Conditional Skewness in Asset Pricing Tests: chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://people.duke.edu/~charvey/Research/Published_Papers/P56_Conditional_skewness_in.pdf
